Von Grund auf NEU:
Verhaltensregeln für unerfahrene & unsichere Hunde
Viele Hunde aus dem Ausland, Straßenhunde, isolierte oder ehemalige Arbeitshunde sowie ausgediente Jagdhunde, die nur Zwinger und Arbeit kennen, haben wenig bis keinen Menschenkontakt oder schlechte Erfahrungen gemacht. Sie sind nicht vertraut mit einem Leben unter Menschen, in einem Haushalt und den von uns definierten Benimmregeln.
Deine Erwartungshaltung von dem, was “normal” ist, entspricht nicht dem, was für diese Hunde normal ist. Auch wenn wir uns als Retter sehen, empfinden sie uns als fremd, aufdringlich und übergriffig – als jemanden, der sie aus ihrem Leben reißt, selbst wenn dieses nicht ideal war.
Folgende Regeln sollten anfangs für alle neuen Hunde eingehalten werden, da die meisten unserer Hunde ein Leben mit uns Menschen nicht kennen und auch die mutigsten erst einmal unsicher reagieren. Bei Angsthunden müssen diese Regeln länger eingehalten werden als bei denen, die sich schnell einleben. Außerdem helfen einige der Regeln auch, um territoriale, dominierende, kontrollierende Verhaltensweisen von Hunden vorzubeugen.
In den ersten Wochen setzt DU die Weichen für euer harmonisches Zusammenleben; je mehr Struktur und Führung du gibst, umso mehr wird der Hund folgen.
Wichtige Verhaltensregeln – werden später im Detail erklärt:
Sicherheitsgeschirr, Zugstophalsband und Leine:
- Verwende das Sicherheitsgeschirr bei jedem Spaziergang.
- In den ersten Tagen trägt der Hund dieses Geschirr immer zusammen mit einer Hausleine (leicht, ca. 1-2 m lang, ohne Handschlaufe).
- Ein Zugstophalsband kann eine gute zweite Sicherung des Hundes sein. Hier muss das Halsband aber gut angepasst sein.
- Über Geschirr und Halsband hast du zwei Möglichkeiten der Führung, je nach Bedarf.
- Nutze einen Laufgürtel für sehr ängstliche Hunde zur doppelten Sicherung.
Eingewöhnung im Haus:
- Erstes Betreten – Führe den Hund mit der Leine schrittweise in die für ihn relevanten Räume.
- Erweitere seinen Wirkungskreis mit der Hausleine nach und nach.
Rückzugsort:
- Biete einen festen Rückzugsort mit Körbchen an.
- Platziere ihn in einer ruhigen Ecke, abseits von viel Verkehr, aber so, dass der Hund eine gute Sicht hat, das beruhigt einige.
Interaktion mit dem Hund:
- Vermeide ständiges Bedrängen, Locken, Rufen.
- Setze dich einfach zu ihm, mit abgewandter Körpersprache, ohne ihn zu berühren.
- Behalte den Hund über die Hausleine in deiner Nähe, speziell wenn er Angst vor dem Mann im Haus hat, sollte dieser ihn viel über die Hausleine führen.
- Fasse den Hund erst an, wenn er sich dafür offen zeigt.
- Die Nähe gibst du vor, aber er entscheidet, wann er dir vertraut.
Soziale Kontakte und Umgebung:
- Begrenze in den ersten Wochen soziale Kontakte, Besuche usw.
Garten:
- Lasse den Hund nicht unbeaufsichtigt im Garten.
- Nutze abhängig von der Größe des Gartens eine lange Schleppleine.
Autofahren:
- Sicherheit: Verwende eine Transportbox und lasse eine Leine am Geschirr.
- Positive Verknüpfung: Fahre täglich eine kleine Strecke zu einem positiven Ort.
Gassigang und Routinen:
- Laufe in den ersten Tagen dieselbe Route.
- Vermeide stark frequentierte Straßen.
- Weiche Gefahrenpunkten aus, wenn der Hund sehr ängstlich ist.
Ängstliche Hunde benötigen mehr als andere Hunde:
- eine strukturierte Routine, einen gleichbleibenden Tagesablauf.
- klare Regeln, Führung und Sicherheit.
- Sei konsequent und vermittele klare Signale, anstatt Mitleid und Fürsorge zu zeigen.
- Geduld und auch mal den Blickwinkel des Hundes einnehmen.
- Kontrolliere deine Körpersprache und Stimme.
- Beobachte den Hund, ab wann ist er überfordert und wie zeigt sich das bei ihm.
Der Umgang mit ängstlichen Hunden erfordert Aufmerksamkeit und Feingefühl, um Sicherheit für Hund und Mensch zu gewährleisten. Selbst der liebste Hund kann bei Bedrohung schnappen. Vermeide Missverständnisse, bei denen du dem Hund etwas Gutes tun möchtest, wie das Streicheln in der Box oder das Beugen über den Hund beim Anleinen, denn diese Verhaltensweisen kann der Hund als bedrohlich empfinden. Respektiere seine Bedürfnisse, besonders beim Fressen.
Bei Hunden, die einem noch nicht vertraut sind, ist es ratsam, in solchen Situationen besonders aufmerksam zu sein und die Körpersprache des Hundes genau zu beobachten. Es gilt, die Bedürfnisse des Hundes zu erkennen, um unerwünschte Reaktionen zu vermeiden und eine positive Beziehung aufzubauen.
Wichtige Verhaltensregeln im Detail:
- Die STREUNERHerzen-Hunde erhalten ein Sicherheitsgeschirr, dieses Geschirr ist mit zwei Riemen, einer über dem Brustkorb und einer hinter dem Brustkorb, ausgestattet. Dieser zweite Riemen verhindert, dass der Hund bei Panik aus dem Geschirr schlüpfen kann.
- In den ersten Tagen/Wochen trägt der Hund im Haus immer eine dünne, leichte und ohne Griff gestaltete Hausleine am Geschirr, um ihn aus Situationen ohne direkten Übergriff führen zu können.
- In den ersten Wochen läuft der Hund nicht unkontrolliert im ganzen Haus herum, sondern wird nach und nach von dir herangeführt. Wenn du zum ersten Mal mit dem Hund das Haus betrittst, präsentiere ihm zunächst die Räume, die für ihn relevant sind. Erst nach und nach erfolgt über die Hausleine die Erweiterung seines Wirkungskreises. Dieser graduelle Ansatz ermöglicht es dem Hund, sich in seinem neuen Zuhause schrittweise zu akklimatisieren, ohne von zu vielen neuen Eindrücken überwältigt zu werden.
- Es ist wichtig, dass der Hund einen festen Rückzugsort in Form eines Körbchens hat. Generell sollte der Rückzugsort nicht offen sein, sondern idealerweise in einer ruhigen Ecke, abseits von häufigem Durchgangsverkehr. Dies verhindert, dass der Hund in einen Kontrollzwang gerät und sich ständig beobachtet fühlt. Allerdings fühlen sich viele Hunde sicherer, wenn sie von diesem Platz aus z.B. die Tür beobachten können.
- Dieser Rückzugsort wird dem Hund von Anfang an zugewiesen, um ihm von Beginn an Sicherheit zu vermitteln. Es ist entscheidend, dass dieser Ort für den Hund einen geschützten Raum darstellt, an dem er Ruhe und Sicherheit findet. Niemand sollte in diesen Bereich ohne Grund eindringen. Falls erforderlich, sollte das Hervorholen des Hundes von diesem Platz über die Hausleine erfolgen.
- Bedränge den Hund nicht, sondern setze dich einfach eine Weile zu ihm, ohne ihn anzufassen, beschäftige dich in der Zeit mit was anderem. Lass ihn deine Nähe genießen, ohne ihn zu fixieren, oder dass du dich auf ihn konzentrierst.
- Rufe oder locke ihn, indem du dich klein machst und deinen Körper wegdrehst, um nicht einschüchternd zu wirken. Versuche ihn neugierig zu machen, indem du etwas „ganz interessantes“ am Boden in seiner Nähe machst. Vermeide es, dich über ihn zu beugen, da dies bedrohlich wirken kann.
- Über die Hausleine behältst du den Hund so häufig wie möglich in deiner Nähe, z.B. im Home Office schaffst du ihm einen Platz direkt neben dir, damit er lernt, dass keine Gefahr von dir ausgeht.
- Am schnellsten fasst der Hund Vertrauen, wenn er nachts in deiner Nähe – sprich mit im Schlafzimmer – einen Platz hat, dies ist allerdings Geschmackssache und muss jeder für sich entscheiden.
- Wichtig ist, dass du den Hund in deiner Nähe behältst, dass aber die Berührung (streicheln usw.) wiederum vom Hund erlaubt wird, wenn er zu dir Vertrauen hat.
- Vermeide es, in den ersten Wochen viele Menschen einzuladen. Der Hund benötigt Zeit, sich an die Personen im festen Umfeld zu gewöhnen. Wenn er dir vertraut und sich bei dir sicher fühlt, kann er es leichter ertragen, neue Menschen kennenzulernen.
- Lass den Hund auch nach der Eingewöhnungszeit nicht unbeaufsichtigt im Garten, da einige Hunde wahre Ausbruchskünstler sind, das kleinste Loch oder der höchste Zaun sind kein Hindernis.
- Solltest du einen großen Garten haben oder mit vielen Möglichkeiten wegzulaufen, sichere den Hund mit einer langen Schleppleine. Einige Hunde neigen dazu, nicht wieder ins Haus zu kommen, entweder weil sie Angst haben, aber auch weil sie sich einfach ein Spiel daraus machen.
- Es ist wichtig, den Hund im Auto zu sichern, damit er nicht die Möglichkeit hat, beim Öffnen der Tür/des Kofferraums herauszuspringen. Einige Hunde beißen alles, womit sie befestigt sind, durch. Aus diesem Grund ist es am sichersten, eine Transportbox zu verwenden. Lass auch hier eine Leine am Geschirr, damit du sofort einen Zugriff hast.
- Öffne die Haustür erst, wenn der Hund angeleint ist und leine ihn erst ab, wenn die Haustür geschlossen ist. Einer der häufigsten Gründe für entlaufene Hunde sind offene Türen, weil man kurz noch den Briefkasten prüft, oder den Müll rausbringt.
- Für sehr ängstliche Hunde ist es empfehlenswert, einen sogenannten Laufgürtel zu verwenden. Achte hier auf eine hohe Qualität, da ein panischer Hund eine sehr hohe Zugkraft entwickeln kann. Durch den Laufgürtel kann der Hund doppelt mit zwei Leinen gesichert werden. Eine, die fest am Gürtel befestigt ist (am Geschirr) und eine, die in der Hand gehalten wird (am Halsband). Auf diese Weise wird sichergestellt, dass selbst im Fall, dass die Leine aus der Hand fällt, keine unvorhergesehenen Zwischenfälle eintreten können.
- Laufe in den ersten Tagen immer dieselbe Route mit dem Hund, idealerweise sogar in die gleiche Richtung. Dies hat mehrere Vorteile: Zum einen schätzen Hunde Strukturen, wodurch eine vertraute Umgebung geschaffen wird, und zum anderen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund im Falle eines Entlaufens den Weg zurück nach Hause oder zum Auto findet.
- Plane täglich kurze Autofahrten zum Spaziergang ein. Dies schafft eine positive Verknüpfung mit dem Autofahren, und die erste Fahrt wird nicht mit dem ersten Gang zum Tierarzt in Verbindung gebracht.
- Wenn du merkst, dass dein Hund Angst hat (Jogger, Auto, Schilder – Ängste sind vielfältig), weiche dem Gefahrenpunkt aus und gehe so weit wie möglich an die Seite.
- Lasse den Hund nicht von der Leine, es sei denn, du bist ganz, ganz sicher – wirklich sicher, dass er nicht panisch davonlaufen wird. Nutze lieber eine Schleppleine.
- Oftmals zeigt sich, dass ängstliche Hunde eine höhere Unsicherheit gegenüber Männern aufweisen. Sollte dein Hund speziell Angst vor dir als Mann haben, solltest du den Hund so viel wie möglich in deiner Nähe behalten (siehe Hausleine). Bellt der Hund z.B. bei dir, wenn du das Wohnzimmer verlässt und wieder zurückkommst, auch obwohl der Hund dich schon kennt, wiederholst du diesen Vorgang so oft, bis der Hund sich daran “erinnert”, dass er dich kennt und nicht bellt. Beim Hereinkommen ignorierst du den Hund, setzt dich jedoch so in seine Nähe, dass er dich riechen kann. Dann stehst du wieder auf und gehst wieder raus.
WICHTIG: Schlechte Erfahrungen sitzen tief und selbst wenn sich der Hund schnell entwickelt, kann es immer einen Auslöser geben, der ihn in alte Verhaltensweisen zurückfallen lässt. Es kommt oft vor, dass die Hunde entlaufen, wenn man unachtsam wird, selbst nach Wochen oder Monaten, wenn man glaubt, der Hund ist „gerne“ bei einem, dies hat nichts damit zu tun!
Was bedeutet: „Lass den Hund ankommen“?
“Den Hund ankommen lassen” bedeutet keineswegs, dass der Hund völlig freie Hand hat, keine Regeln beachten muss und tun kann, was er möchte. Denn in diesen ersten Tagen und Wochen werden die Weichen für das weitere Zusammenleben gestellt.
Vielmehr beinhaltet „ankommen lassen“, dass der Mensch die Führung übernimmt und klare Regeln vorgibt; diese kann man später immer noch lockern. Der Fokus liegt darauf, dem Hund eine Phase der Orientierung, Anpassung und Ruhe zu ermöglichen, ohne ihn zu bedrängen oder sofort mit Grundkommandos wie Sitz, Platz oder Fuß zu konfrontieren.
Diese Herangehensweise berücksichtigt die Bedürfnisse des Hundes, insbesondere wenn es sich um ängstliche Hunde handelt. Der Mensch gibt Struktur und Sicherheit vor, während er dem Hund gleichzeitig die Zeit gibt, sich an die neue Umgebung und die damit verbundenen Eindrücke zu gewöhnen. Es bedeutet, auf die natürlichen Verhaltensweisen des Hundes Rücksicht zu nehmen und darauf zu achten, dass er nicht überfordert wird.
Während der Mensch die Leitung übernimmt und klare Grenzen setzt, wird gleichzeitig das Verständnis für die individuellen Bedürfnisse des Hundes geschärft. “Den Hund ankommen lassen” bedeutet also, eine ausgewogene Balance zwischen Führung und Einfühlungsvermögen zu finden.
Empfehlung: Mache mit deinem Hund ein Maulkorbtraining. In einigen Ländern besteht eine Maulkorbpflicht im öffentlichen Raum, z.B. bei Bahnfahrten und auch für den Besuch beim Tierarzt ist es wichtig, dass der Hund mit dem Tragen eines Maulkorbs vertraut ist. Das Maulkorbtraining dient dazu, dem Hund positive Assoziationen mit dem Maulkorb zu vermitteln und ihm zu ermöglichen, sich in dieser Situation wohlzufühlen.
Die Herausforderung liegt zweifellos darin, dass nicht jede Situation vorhersehbar ist. STREUNERHerzen unterstützt dich daher gerne bei der Suche nach einem kompetenten und erfahrenen Hundetrainer, der dir und deinem Hund dabei hilft, mit schwierigen Situationen umzugehen und gemeinsam Lösungen zu finden.