Ray Charles fand sein Zuhause am 16.11.2016 (Happyend-Story)
Du bist für uns etwas ganz Besonderes
Dies wird sicher der längste Text werden, den ich je für einen Hund im Glück geschrieben habe, aber Ray Charles ist für mich als Vermittlerin etwas ganz Besonders.
Der kleine, zerbrechliche Kerl wurde Anfang 2016 auf den Straßen Sardiniens gefunden, alleine, blind und unterernährt. Da er mit seinem Fliegengewicht und seinem Handicap unmöglich in eines der Gehege im Tierheim Tortoli untergebracht werden konnte, saß er also ganz allein in einer kleinen Box im Tierheim.Als meine Kollegin vor Ort war und mir die Bilder des Knirpses schickte, war ich hin und weg, damals noch unwissend, dass ich ihn später selbst kennen- und lieben lernen würde.
Recht schnell meldete sich eine Pflegefamilie für ihn, die bereits zwei Ratero-Mischlinge aus Spanien adoptiert hatte. Noch auf Sardinien wurde Ray einem Augen-Tierarzt vorgestellt, der feststellte, dass der Kleine ohne Sehnerven geboren wurde. Ray durfte also am 20.03. 2016 zu seiner Familie ausreisen. Leider fing Ray nach kurzer Zeit an, um sich zu schnappen nach Mensch und Hund, es war teilweise so schlimm, dass die Familie ihn nicht einmal zum Sich-lösen nach draußen bringen konnte. Deshalb war relativ schnell klar, dass Ray auf jeden Fall weiter vermittelt werden sollte, da es auch mit den beiden anderen Rüden der Familie und Ray einfach nicht klappte.
Wir hielten dies zunächst noch für Rays „Überlebensstrategie“, denn wie hätte er es sonst als Zwerg von zwei Kilo geschafft, auf Italiens Straßen zu überleben?
Doch allmählich wurde klar, dass noch etwas anderes dahinter stecken musste und die erste Untersuchung in einer Mönchengladbacher Klinik ergab, dass Ray einen Wasserkopf hat und der Druck auf sein Gehirn so groß ist, dass er unsägliche Kopfschmerzen hat und dies wiederum ihn so aggressiv machte. Er musste einen Shunt bekommen, vereinfacht gesagt, es sollte ein Schlauch vom Gehirn bis in den Bauchraum gelegt werden, der mit der Zeit das Hirnwasser selbsttätig abpumpt. In den ersten Wochen musste Rays Familie die Pumpe täglich manuell bedienen.
Er sollte in Gießen in der Tierklinik operiert werden und solange bekam er Entwässerungstabletten, die ihm den Druck auf sein Gehirn schon ganz gut nahmen. In dieser Zeit des Wartens auf die OP fuhr Rays Familie mit dem Wohnwagen in den schon lange geplanten Urlaub. Da die Hunde untereinander sich noch immer nicht so gut vertrugen (und wie sollte das klappen mit dem begrenzten Platzangebot in einem Wohnwagen?), nahm ich Ray für die Zeit zu mir. Es war das erste Mal, dass ich einen blinden Hund bei uns hatte und ich staunte nicht schlecht – und habe heute noch die größte Hochachtung vor diesem kleinen Mann – wie schnell er sich hier zurechtfand, im Haus und im Garten, mit vier Hunden und zwei Katzen. Er war super anhänglich und in dieser Zeit habe ich wohl keine einzige Email geschrieben, bei der er nicht quer auf meinem Schoß lag.
Sicher wussten die Pflegefamilie und ich, dass seine Ausraster, die er ab und an noch hatte, um Ressourcen zu verteidigen, nicht in Ordnung sind und man mit ihm daran noch arbeiten muss, aber mit der Aussicht auf seine baldige OP und deren ungewissem Ausgang habe auch ich ihn nach Strich und Faden verwöhnt und er dankte es mit absoluter Anhänglichkeit und mit nur wenigen „Ausfällen“. Schweren Herzens habe ich ihn nach zwei Wochen wieder der Obhut seiner Familie übergeben und würde jederzeit wieder einen blinden Hund aufnehmen. Mit den richtigen Kommandos, die zumindest Ray sehr schnell gelernt hat, kann man selbst – und vor allem der Hund – sehr gut damit umgehen.
Nach seiner OP, die absolut zufriedenstellend verlaufen ist (und hier berichtet gleich seine Familie weiter) änderte sich auch Rays Verhalten und das Auskommen mit den beiden Rüden der Familie wurde besser, sodass Anja und Maik, Rays Pflegefamilie, mir meinen (heimlichen) größten Wunsch erfüllt haben und den kleinen Findling nun für immer behalten werden. Und das ist schon eine große Aufgabe….aber lesen Sie:
Liebe STREUNERHerzen,
heute möchte ich Euch mitteilen, dass auch Ray Charles sein eigenes Happy End hat: Er bleibt einfach bei uns!!! – Geplant war das so nicht, denn wir dachten eigentlich, dass wir Ray einen Start in Deutschland geben, wenn er von hier aus vermittelt werden kann und er dann einfach seine Familie finden würde.
Aber dadurch, dass seine Krankheit entdeckt wurde, wurden viele Dinge erschwert. Die Zeit, die er in der Klinik in Gießen verbracht hat (nach seiner OP,) war ganz schlimm für uns; wir haben ihn sehr vermisst und uns auch große Sorgen gemacht.
Die Zeit danach war auch sehr emotional, er war ja sehr angeschlagen und brauchte viel Zeit und Zuneigung. Und so kam es, dass es uns am Tage seiner Nachkontrolle in Gießen (Anfang November) wie ein „Schlag“ getroffen hat: Wir können ihn nicht einfach weggeben!!!!
Er wachte aus der Narkose (bedingt durch das MRT) auf und sprang sofort in meine Arme, um sein Köpfchen unter meiner Jacke zu verstecken. Die Ärztin sagte, dass es schon toll wäre, welch ein Vertrauen er zu mir bzw. uns hätte. Und auf einmal war alles klar und deutlich: Er bleibt bei uns – mit allen Wenn und Aber. Wo zwei groß werden, werden auch drei groß. So ist es!
Wir sind uns dessen bewusst, dass es nie ganz einfach mit ihm sein wird, dass er Defizite aufgrund seiner Krankheit hat und dass wir damit leben müssen, dass er ab und an ein aggressives Verhalten zeigt. Jedoch haben wir einen Vorteil: Wir kennen ihn mittlerweile und wir wissen, wie wir sein Verhalten einschätzen können. Das ist sehr wichtig, denn der Kleine ist nicht ohne und auch kleine Hundezähnchen können ziemlich weh tun.
Auf alle Fälle macht er sich richtig gut und wird immer mutiger draußen. Mittlerweile läuft er ohne Leine hinter uns im Wald her, er läuft ohne Leine wesentlich besser als mit Leine. Seine Nase setzt er häufiger ein; es könnte aber noch intensiver sein, das würde ihm vieles erleichtern. Da unsere größeren Hunde im Wald Futterbeutel suchen, bekommt er natürlich auch einen. Das macht er richtig gut. Das Wort „such“ hat schon eine Bedeutung für ihn bekommen. Bevor wir Ray berühren, sagen wir laut „Ray, touch“, damit er sich nicht erschreckt. Auch, wenn wir ihn hochheben „Ray, up“. Das ist nämlich sein größtes Problem: nicht zu wissen, was passiert und dann wird auch schon losgefletscht!
Ich „darf“ ihm mittlerweile ein Jäckchen anziehen und – und das ist das Größte – ein Geschirr anlegen!!!!! Ohne Knurren und Beißen! Die größte Herausforderung ist für uns, ihm die Krallen zu stutzen. Wir üben noch!!!!!
Die Nachkontrolle im Januar bezüglich seines Shunts war sehr gut, wir haben auf Anraten der Ärzte noch einmal seine Augen kontrollieren lassen. Die Sehnerven sind tatsächlich verkümmert, da ist nichts zu machen, aber die Aufnahmen haben gezeigt, dass die Adern in den Augäpfeln sehr durchblutet sind, ein Zeichen für Bluthochdruck. Das wird im März jedoch noch einmal kontrolliert, es kann sein, dass er dann noch ein MRT benötigt.
Die Untersuchung des Liquors (Hirnwasser) war positiv: Es sind nur wenige Proteine vorhanden (diese bilden sich aufgrund des Fremdkörpers im Kopf). Wir sollen ihn 1x/Woche pumpen, damit das System durchspült wird. Lässt er mittlerweile auch zu, und wenn er mal schlecht drauf ist, dann gibt es vorne Leberwurst aus der Tube und hinten am Hals wird gepumpt. Er lässt sich ganz gut überlisten.
Wir möchten den kleinen Mann nicht mehr missen und freuen uns jeden Tag über unsere drei Goldschätze (2x Mallorca, 1x Sardinien). Unsere Hunde sind (fast) überall mit dabei und es finden sich zum Glück auch immer liebe Menschen, die einen mit drei Hunden aufnehmen. So haben wir schon schöne Tage in Holland (Wohnwagen) und im Allgäu (Ferienwohnung) verbracht.
Ray lässt sich nicht unterkriegen, er hat jede Wandertour mitgemacht, der holprigste und steilste Weg ist kein Hindernis für ihn. Und wenn die kurzen Beinchen nicht mehr können (das kann allerdings dauern), nimmt man ihn einfach auf den Arm.
Gerne möchte ich mich noch einmal bei allen bedanken, die an ihn gedacht haben. Und auch dem Verein „STREUNERHerzen“, der ihm größtenteils die OP möglich gemacht und ihm dadurch die Chance auf ein halbwegs normales Leben gegeben hat.
Die Prognosen sind richtig, richtig gut. Vielen Dank!!!!!!! Und mein Appell an mögliche Adoptanten: Blinder Hund? Na, und???!!!!!!!! Traut Euch, es ist absolut kein Problem für einen Hund, ohne seine Augen zurechtzukommen. Bei uns läuft es so normal, dass wir manchmal vergessen, dass er blind ist. Gewisse Vorkehrungen muss man treffen, aber die sind wirklich minimal. Meldet Euch, wenn Ihr Fragen habt!
&xnbsp;Ray ist zu Hause, und das ist auch gut so!!!!!!!
&xnbsp;Liebe Grüße, die ehemalige Pflegestelle jetzt Mama und Papa von Ray (mit den großen Brüdern Milú und Jimmie)
Ray ist also zu Hause….und das endgültig seit dem 16.11.2016 in 56410 Montabaur.